Anatomie & Wissenschaft
Die tiefliegenden Rückenmuskeln, oftmals auch als autochthon („ortsständig“) bezeichnet, haben eine Schlüsselfunktion bei der Aufrichtung und Stabilisierung der Wirbelsäule [Wagner et al., 2005]. Vor allem die Muskeln des sogenannten „medialen Stranges“ sind segmental angeordnet und daher für die segmentale Stabilisierung und Hauptkontrolle der Wirbelsäule verantwortlich (siehe Abb. 1) [Creze et al., 2015; Deng et al. 2015]. Unterstützt werden diese Muskeln von einem komplexen System aus Faszien. Gut trainierte Muskeln erhöhen diese fasziale Spannung und gewährleisten eine systemische Stabilität [Willard et al., 2012].
Abb.1: Lateraler (links) und medialer (rechts) Strang der autochthonen Rückenmuskulatur
Abb.2: Lateraler (links) und medialer (rechts) Strang der autochthonen Rückenmuskulatur
Abb.3: Segmental angeordnete autochthone Rückenmuskeln
Abbau der tiefen autochthonen Rückenmuskeln, bei Patienten mit chronischen Rücken- und Nackenbeschwerden
Nach dem Dekonditionierungsmodell nach Steele und Kollegen kommt es bei Schmerzpatienten immer zu einem Abbau (Atrophie) und einer Verfettung (Abb.3) der tiefen Rückenmuskeln, meist ausgelöst durch chronische Schonhaltung und Vermeidungsstrategien nach kleinen initialen Mikroverletzungen [Willard et al., 2012; Steele et al., 2014]. Je chronischer der Schmerz ist, desto ausgeprägter ist dieser Abbau und desto mehr korreliert er mit den Symptomen (Abb.4) [Fortin et al., 2017; Danneels & Hodges, 2019]. Neben den vielfach belegten muskulären Veränderungen – v.a. im m.multifidus – [Goubert et al., 2016; Ranger et al., 2019] kommt es sogar zu veränderten Expressionsmustern im Gehirn, was zu eingeschränkten sensomotorischen Funktionen und abnormaler Schmerzverarbeitung führt [Goossens et al., 2018]. Diese morphologischen Veränderungen führen wiederum zu funktionellen Einschränkungen und reduzieren die lokale Stabilität, was wiederum zu schnellerem Verschleiß der passiven Strukturen führt [Ranger et al., 2019; Kalichman et al., 2016; Faur et al., 2019].
Abb.3: MRT: Querschnitt der lumbalen autochthonen Rückenmuskulatur (an L4) – Schmerzbedingter Abbau und Fettinfiltration (weiße Fläche, durch Pfeil gekennzeichnet)
Abb.3: MRT: Querschnitt der lumbalen autochthonen Rückenmuskulatur (an L4) – Schmerzbedingter Abbau und Fettinfiltration (weiße Fläche, durch Pfeil gekennzeichnet)
Abb.3: MRT: Querschnitt der lumbalen autochthonen Rückenmuskulatur (an L4) – Schmerzbedingter Abbau und Fettinfiltration (weiße Fläche, durch Pfeil gekennzeichnet)
Abb.4: MRT: Querschnitt der lumbalen autochthonen Rückenmuskulatur (an L4) – Unilaterale Verfettung der Muskulatur (Pfeile)
Abb.4: MRT: Querschnitt der lumbalen autochthonen Rückenmuskulatur (an L4) – Unilaterale Verfettung der Muskulatur (Pfeile)
Isoliertes Training der autochthonen Rückenmuskeln in der Rückentherapie und zur Prävention von Rückenbeschwerden
Eine gut entwickelte autochthone Rücken- und Nackenmuskulatur ist also ein Zeichen und gleichzeitig Garant für eine gesunde und belastbare Wirbelsäule, während bei (Rücken/Nacken-) Schmerzpatienten diese Muskeln zunehmend abbauen. Darüber hinaus wurde herausgefunden, dass diese Muskeln auch im Zuge des Alterungsprozesses überproportional stark atrophieren [Fortin et al., 2014; Dahlqvist et al., 2017]. Die gezielte Kräftigung und Ansteuerung dieser Muskeln sollte in einer nachhaltigen Rückentherapie sowie in der Prävention von Schmerzen und fortzeitigem Verschleiß der passiven Strukturen daher im Vordergrund stehen. Laut einigen Wissenschaftlern ist hierfür besonders ein maschinenbasiertes Fixierungssystem geeignet, welches die Aktivität von Hilfsmuskulatur reduziert, um somit maximale Trainingsreize zu setzen [Steele et al., 2015]. Gleichzeitig kann durch die Maschine das Training standardisiert werden und auf die individuellen Voraussetzungen des Patienten sowie dessen klinischen Diagnosen eingegangen werden, in dem das Bewegungsausmaßes und Trainingsbelastung angepasst wird (Abb.5). Klinische Ergebnisse aus anderen Studien haben vielfach gezeigt, dass dieses Trainingssystem hervorragende Ergebnisse bei Patienten mit unspezifischen Rücken- und Nackenbeschwerden zeigt und dass die Ergebnisse direkt mit der Verbesserung an Kraft verbunden sind [Steele et al., 2015a+2017+2018].